Die (sogenannte) Mur d’Hannibal (2650 m. ü. M.)
Archäologische Spuren im Val d’Entremont – Die Entdeckung der Fundstelle
Verbleibende Zeit bis zur Ankunft | Alpage du Cœur – (sogenannte) Mur d’Hannibal ca. 1 Std. 30 Min. |
Die Alpage du Cœur: Ausgangspunkt der Archäologen seit 2006
Sie befinden sich hier auf der Alpage du Cœur. Es ist dies die Stelle, von wo aus die archäologischen Expeditionen jeweils ihren Anfang genommen haben. Zwischen 2006 und 2018 sind auf dem Gelände unter der Leitung des Archäologen Romain Andenmatten und in Zusammenarbeit mit dem Kantonalen Amt für Archäologie mehrere Eingriffe durchgeführt worden: Zwei Vorkampagnen (2006, 2008) zwecks Erfassung der Topografie der Fundstelle, dann Sondagen (2009, 2010) und schliesslich drei umfangreichere Grabungskampagnen (2014-2016), denen 2018 noch einige Nachuntersuchungen folgten. Obwohl diese Arbeiten jeweils während des Sommers stattgefunden haben, liess es sich dennoch nicht gänzlich vermeiden, dass sie nicht doch hin und wieder durch Schneefall erschwert worden sind!
Während man sich bei den ersten Grabungskampagnen noch genötigt sah, den Grossteil der Ausrüstung auf dem Rücken nach oben zu tragen, führte der im Jahre 2013 durchgeführte Helikoptertransport zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort, die indessen auch weiterhin eher dürftig ausfielen. Glücklicherweise befand sich aber in der Nähe der Ausgrabung eine Quelle, wo man sich mit Wasser versorgen konnte.

Fig. 1
Aufstieg zur Fundstelle im Jahre 2015. Mehr arbeitende Hände bedeuten immer auch mehr Proviant beim Aufstieg.© RAMHA

Fig. 2
Helikoptertransport des Materialcontainers.© RAMHA

Fig. 3
Selbst im Juli ist man nie sicher vor schlechtem Wetter! Zum Glück ist die Grabungsfläche durch eine Plane geschützt.© RAMHA
Grabungskampagnen von 2014-2016
Für die Grabungskampagnen von 2014 bis 2016 wurden mit einem Helikopter zwei Baucontainer herangeschafft, die als Lagerraum für Werkzeug und als Unterkunft für das kleine Grabungsteam (sechs bis acht Personen) dienen sollten. Die Ausgrabungen dauerten in den Jahren 2014 und 2015 über einen Zeitraum von sechs Wochen, die der abschliessenden Kampagne 2016 nur noch drei Wochen. Während man sich für den Aufstieg mit Proviant für fünf Tage eindecken musste, trat man den Abstieg jeweils mit Rucksäcken an, die mit Sedimenten aus der Ausgrabung befüllt waren und die anschliessend unten geschlämmt wurden. Nur so können tierische (verkohlte Knochen) und pflanzliche Reste (Samen, Kerne) sowie Holzkohle darin festgestellt werden, die von der Nahrungsversorgung der Bewohner:innen der Mur d’Hannibal zeugen.
05.08.2009
Grabungsjournal
Team: 2 Personen.
Wetterbericht: mittelmässig bis gut, der Himmel am Morgen noch wolkenverhangen und mit anhaltendem Nebel, dann aufhellend.Durchgeführte Arbeiten: zweite Grabungsetappe an der Sondierung SD001, Ausgrabung der Zerstörungsschicht eines Gebäudes, Freilegung einer Trockensteinmauer in Ost-West-Ausrichtung (UT07) und einer Schicht darüber, bestehend aus dem Inhalt einer Feuerstelle (UT03). Dokumentation des ergrabenen Niveaus.Fundmaterial: Entdeckung eines römischen Schuhnagels auf der Oberfläche von Schicht UT03.Verschiedenes: die persönliche Ausrüstung kann ab Nachmittag zum Trocknen ausgelegt werden.


Fig. 4
Kühle Nächte im Zelt, Mützen empfohlen.

Fig. 5
Ein römischer Schuhnagel, Vollerfolg!
Seit wann hat man Kenntnis von der Fundstelle?
Wegen ihrer Auffälligkeit im Gelände ist die Mauer schon 1878 verzeichnet worden, wo sie als «Ruinen» bezeichnet wird. ThédoreLattion (1913-2015), ein aus Liddes stammender Gelehrter, nennt die Fundstelle erstmals in seiner unveröffentlichten Arbeit mit dem Titel Réflexions à propos du mur d’Annibal (1983). Erstaunlicherweise entgeht ihm bei seinen Beobachtungen gewissermassen der Höhepunkt der Fundstelle, eine auf einen Felsen geritzte Inschrift im Abri. Es sollte noch bis ins Jahr 2005 andauern, bis diese schliesslich von der Wanderin Anne-Françoise Quartier-la-Tente bemerkt wurde. Ihr Ehemann Vincent Quartier-la-Tente, ebenfalls ein autodidaktischer Historiker wie schon sein enger Vertrauter Théodore Lattion, nahm dann eine erste Entzifferung der Inschrift vor.

Fig. 6
Im Atlas Siegfried aus dem Jahre 1878 ist der Ort der archäologischen Fundstelle mit der Erwähnung «Ruinen» (Rnes), sowie einer gestrichelten Linie verzeichnet, die die Mauer darstellen soll. Diese Angaben sind in der Neuauflage von 1906 wieder verschwunden. Massstab 1:25’000. © swisstopo

Fig. 7
Der Abri mit der Weihinschrift an Poeninos. Sie liest sich von rechts nach links. © RAMHA
Eine sehr alte Steingravur
Vincent Quartier-la-Tente hatte zwar erkannt, dass für diese Inschrift die Buchstaben des sogenannten Alphabets «von Lugano» verwendet worden sind, konnte aber keine schlüssige Lesung derselben vorlegen. Ein runder Tisch aus Fachleuten aus dem Bereich der Epigraphik (Inschriftenkunde) konnte dieses Geheimnis im Jahre 2016 lüften: es handelt sich hierbei um eine Votivinschrift an Poeninos, einer Alpengottheit, die von den Einheimischen verehrt worden ist.
Poeninos wird in römischer Zeit mit Jupiter gleichgesetzt. Ihm zu Ehren wurde auf dem Grossen Sankt Bernhard ein Tempel errichtet.
Was diese Inschrift so aussergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass sie eine der ältesten bekannten Inschriften aus diesem Teil der Alpen ist. Tatsächlich markiert sie die Übernahme der Schrift in dieser Region und damit den Beginn ihrer Geschichtsschreibung. Die Meldung ihrer Entdeckung an die kantonalen Behörden war eine der Auslöser der archäologischen Untersuchungen im Jahre 2006. 2011 erfolgte dann die Gründung der Association RAMHA, RecherchesArchéologiques du Mur (dit) d’Hannibal, mit der Bildung eines interdisziplinären Forschungsprogramms.
Ein Umweg lohnt sich!
Wenn Sie dem Weg weiter folgen, durchqueren Sie zunächst die Senke Plan Beussolet und dann ein Geröllfeld bis sie auf dem östlichen Bergrücken des Pointe de Toules angelangen. Damit befinden Sie sich nun an der nordwestlichen Begrenzung der Mauer. Dieser Abschnitt ist schlecht erhalten und aufgrund der Beschaffenheit des Bodens nur schwer im Gelände auszumachen. Setzen Sie allerdings Ihren Weg entlang dieses Bergkamms fort, so treffen Sie in rund 100 Metern auf eine erste Ecksituation im Gelände, die wie eine Bastion anmutet. Es ist der Abri mit der Inschrift.
Wir wünschen Ihnen einen guten Aufstieg!
EINFACHE SPRACHE Sie befinden sich hier auf der Alpage du Coeur. Von hier aus traten die Archäologen den Weg hinauf zur (sogenannten) Mur d’Hannibal an.Sie untersuchten die Fundstelle zwischen 2006 bis 2018.Die wichtigste Entdeckung ist eine auf einen Felsen geritzteInschrift. Dies ist die älteste Inschrift, die man im Kanton Wallis an Ort und Stelle sehen kann.Sie nennt einen Gott namens Poeninos.Beim Volk, das hier vor 2000 Jahren gelebt hat, war er ein Gott der Berge.Bei den Römern wird Poeninos Jupiter genannt.Jupiter ist der König der Götter, Gott des Himmels und des Donners. |
Gestaltung © RAMHA, Romain Andenmatten, UNIL, Michel Aberson, ArchaeoConcept Sàrl, Leana Catalfamo
Graphisches Design © Chab Lathion
Übersetzung auf Deutsch und Lektorat: Sebastian Salzmann, Elsa Nautsch
Lektorat leichte Sprache auf Deutsch © kommt demnächst